Alle Leute schimpfen auf die Bahn. Die Politiker stehen Schlange, wenn es darum geht im Sommerloch mit medialer Schelte zu punkten. Leider geht die Presse darauf willfähig ein. Doch bei richtiger Recherche hätte sie ein viel schöneres Thema. Die Presse könnte sich tagelang daran festhalten, wer denn wann was genehmigt habe und warum ein Amt nach dem nächsten wohl versagt hat.
Aber beginnen wir zur Einstimmung bei der Werbung.
Die Bahnen fahren nicht richtig unterhalb bestimmter Temperaturen, wie wir im letzten Winter betroffen zur Kenntnis nahmen. Zugegeben die Winterausfälle waren vielerorts den Problemen der Stellwerke geschuldet, doch ein stehender Zug steht. Jetzt erleben wir, daß die Bahnen aber auch oberhalb bestimmter Temperaturen Probleme haben.
Darf eine Bahn nun Werbung machen für ein Produkt, das gar nicht wirklich für den Winter oder Sommer ausgelegt sind, sondern nur für die gemäßigten milden Zeiten dazwischen, ohne in Ihrer Werbung darauf hinzuweisen?
Unten ganz ganz klein gedruckt erschiene dann: „* Die Bahn fährt nur zuverlässig bei Schnee- und Eisfreiheit und Temperaturen zwischen -10° und +32°“
Dieser Zusatz hätte noch einen ganz anderen Vorteil. Bei der Zuverlässigkeitsanalyse würden die Zeiten mit den Sondertemperaturen herausfallen und die Bahn würde einen extremen Sprung in der Zuverlässigkeit machen können.
Doch jetzt ist Sommer und die Klimaanlagen in den Zügen fallen reihenweise aus, weil es zu heiß ist. Nach einigen Tagen erfahren wir, daß die Serien ICE1 und ICE2 nur für Temperaturen bis 32° ausgelegt sind. Der ICE3 ist schon bis 35° ausgelegt und für die nächste Serie sollen es sogar 45° werden. Der Fahrgast wird darüber nicht informiert, wenigstens kann ich mich nicht erinnern, jemals beim Kauf einer Fahrkarte informiert worden zu sein, ich möge bei Außentemperaturen über X° berücksichtigen, daß die Klimaanlage der Bahn nicht läuft und entsprechend leicht bekleidet die Fahrt antreten.
Was hat die Bahn nun bewogen, die ICE-Serien auch bei höheren Temperaturen erträglich zu gestalten? Nein es waren sicher nicht die Kunden, die zahlen doch so oder so, nein es war wohl eine geänderte Arbeitsstättenrichtlinie. Nach der Arbeitsstättenverordnung vom August 2004 wird nur eine zuträgliche Raumtemperatur und der Schutz gegen übermäßige Sonneneinstrahlung gefordert. Eine maximal zulässige Temperatur wird aber nicht genannt. Seit Juni 2010 gilt nun die „Arbeitsstättenregel ASR A3.5 Raumtemperatur“. Dort heißt es „Wird die Lufttemperatur im Raum von +35°C überschritten, so ist der Raum für die Zeit der Überschreitung … nicht als Arbeitsraum geeignet.“ Dann müßte die Bahn ohne Schaffner fahren.
Es ist bemerkenswert, daß gerade staatliche Stellen erst bei Gesetzen und Verordnungen beginnen, ihren Mitarbeitern soziale Errungenschaften wie menschenwürdige Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.